Großes Kino auf der Zunftball-Bühne
2013
Dabei wurde der reichlich anwesenden „Obrigkeit“ gestrählt wie schon lange nicht mehr.
Los ging's mit den drei Musketieren, Athos Wildi, Porthos von Mirbach, Aramis Reiser und D'Artagnon Kubon, die unschwer als diverse Stadträte und als Oberbürgermeister zu identifizieren waren. Sie arbeiteten die Prioritätenliste der offenen Baustellen in VS durch. Ein genialer Einfall der Regie war es, den achtjährigen Linus Richter die Hauptrolle des OB spielen zu lassen. Das hat er super gemacht. Und anders als in der traurigen Wirklichkeit herrschte unter diesen Musketieren am Ende der Wille zur Zusammenarbeit. Ihr Motto: „Eine Stadt für alle. Alle für eine Stadt.“ Dieser Appell zu mehr politischer Harmonie wurde eifrig beklatscht.
Dafür gab es in der nächsten Nummer für die Obrigkeit richtig was auf die Ohren. Im Jahr 2200 ruft ein Funkspruch das „Raumschiff Enterprise“ unter Captain Kirk (Roland Weisser) zum Einsatz auf die Erde zurück, um Villingen-Schwenningen aus der Knechtschaft der 40 Druiden zu befreien. Kirk, Spock und die anderen müssen erfahren, dass das Elend bereits im Jahr 2012 ihren Anfang nahm, als es Stadträte gab, „die ihre Bürger verkauften.“ Bei dieser rustikalen Nummer setzte es Hiebe in alle Richtungen: Sei es für Oberjungfer Margot Schaumann („die ewig lächende Jungfrau mit einer Zunge wie eine Rasierklinge“), die CDU-Gemeineratsfraktion („macht ohnehin nur heiße Luft“), Alt-OB-Gerhard Gebauer („der rostet an allen Ecken“) und vor allem für die CDU-Fraktionsvorsitzende Renate Breuning, die heimliche Herrscherin über die Stadt, die selbst den OB herumkommandiert. Die Störenfriedin wurde kurzerhand an Bord der Enterprise gebeamt, ins Weltall geschossen und somit auch der OB „deaktiviert“.
Es folgte der Thriller „Ocean's Eleven“, auf villingerisch leicht abgewandelt in „Fußi's Elven“. Aus der Dienstbesprechung von Baubürgermeister Rolf „Fußi“ Fußhoeller mit seinen Mitarbeitern wurde Ungeheuerliches enthüllt: Die zahllosen Pleiten und Pannen aus dem städtischen Baudezernat waren nicht Unfähigkeit, sondern gezielte Obstruktion, um das Lieblingsprojekt vom OB, das zentrale Rathaus, zu Fall zu bringen. Denn „Fußi's Eleven“ haben keinen Bock auf Stress und darauf, künftig auch noch freitags arbeiten zu müssen. „Wir müssen die ganz Stadt lahm legen. Dann will doch keiner mehr ein neues Rathaus“, näselte der Tiefbbau-Chef (Marius Richter) im breitesten Schwenningerisch. Das Publikum johlte vor Vergnügen, und Fußi (Marius Stadler) lässt vom Bauhof die halbe Stadt absperren, um die Pläne aus dem „feindlichen Rathaus in Villingen“ zu hintertreiben. Am Schluss gab's jubelnden Beifall für den stark spielenden Bühnen-Nachwuchs.
Seit 50 Jahre rettet er die Welt, da durfte James Bond (Werner Mauch) auch nicht beim Zunftball fehlen. Doch hier hatte er nichts zu lachen. Er, der schon x-fach die Welt gerettet hat, scheitert seit 40 Jahren daran, den Gemeinderat von VS zur Zusammenarbeit zu bringen. „Der einzige Konfliktherd in Europa ist Villingen-Schwenningen“, konstatiert Bonds Vorgesetzer „M“ (Pascal Beha). Ständige Querelen im Rathaus, bei der Feuerwehr oder in der CDU - Bond gibt die Lizens zum Töten zurück.
Szenenwechsel zum Westernklassiker „12 Uhr mittags“. Seltsam nur: Im Saloon geht es ähnlich zu wie am Fasnetmentig vor dem Umzug. Die Revolverhelden schlingen vor dem „Großen Duell“ ihre Mehlsuppe hinunter, ziehen dann ordentlich ihr Häs an, um nicht vom Duell-TüV aus dem Verkehr gezogen zu werden, ein Bankräuber flüchtet mit dem „Con Merz Bank“-Koffer durch die Stadt und der „Lindenholz-Schnitzer“ ist in diesem Fall nicht für Schemen, sondern Särge zuständig. Ein herrliche Parodie auf Western und Fasnet mit einem obercoolen Revolverhelden aus Schwenningen (Rolf Ade).
Nach so viel Action wurde das Genre in Richtung Liebesfilm gewechselt. Kaiserin Sissi ( Steffi Brüderle) kehrt von der Kur zurück nach Wien und berichtet ihrem geliebten Franz (Dominik Beha) von maroden Brunnenfiguren sowie Badeanstalten im Kneippkurort Villingen, die seltsamerweise „auch bei schönem Wetter geschlossen sind.“ Erzherzog Franz Karl (Uwe Waldvogel) versteht leider gar nichts und Oberst Böckl (Joachim Fuchs) schusselt aufgeregt zwischen den Majestäten hin und her. Mit dem Schmachtfetzen „Sissi“ verdienten sich alle vier Akteure Bestennoten.
Auf die Zunftbarden um Peter Metzger, Rolf Kübeler, Manfred Roth und Hans Vosseler freut sich das Stammpublikum jedes Jahr. Dieses Mal erschienen sie mit ihrer Gesangsnummer als „Asterix und Obelix“. Musikalischer Höhepunkt aber war der auf die Villinger Fasnet umgetextete Song der „Toten Hosen“: „An Tagen wie diesen.“ Dazu eingeblendet Szenen von den Fastnachtsumzügen – für alle Liebhaber der Villinger Fasnet ein Gänsehautauftritt.
Wie man mit Kreativität und einfachen Mitteln sogar einen Unterwasserauftritt auf der Bühne inszeniert, konnten die Gäste beim Filmklassiker „Das Boot“ bewundern. Den Ballregisseuren Anselm Säger und Alexander Brüderle gelang nicht nur eine geniale Bühnenkulisse, sie konnten als U-Bootfahrer gemeinsam mit dem Smutje (Matze Reiner) auch ihr komödiantisches Talent voll ausleben. Ein Klamauk der Spitzenklasse. Am Schluss trauchte das U-Boot im Schwenninger Moos auf, womit die These vom Villinger Manfred Riegger bewiesen war: „Die Pissbrühe vom Schwenninger Moos rennt tatsächlich ins Schwarze Meer.“ Starker Auftritt, starke Regie. Dem Duo Brüderle/Säger ist es einmal mehr gelungen, einen sehr unterhaltsamen Zunftball auf die Bühne zu bringen.
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