Sie setzt ihre Fastnachtsfiguren dieses Jahr einmal anders in Szene: Ingeborg Jaag mit Stachi (links). Rechts oben steckt der Weibernarr ein noch fehlendes Eselsohr an den Kopfschmuck einer seiner Damen und rechts unten schlafen die faulen Narren im Stroh. Laut dem zehnten Aufzug droht ihnen daher nicht nur die Armut sondern sogar der Henker. Bild: Jochen Hahne
Letzter Schliff für den Narro. Die klassische Villinger Fastnachtsfigur stellt dieses Jahr den Hoffartsnarr dar. In seinem Hochmut geht er auf Stelzen und hebt sich so von Anderen ab.
Es scheint fast, als steckten sie gut gelaunt die Köpfe zusammen, Stachi und Narro, Morbili und Wuescht. Eine bunte Gesellschaft in freudiger Erwartung ihres jährlichen Auftrittes: Im Franziskaner Museum stehen die kleinen Figuren der großen Villinger Fastnacht schon bereit.
Ingeborg Jaag hat den ausgestellten Puppen in jahrzehntelanger Arbeit ihr Gesicht gegeben. Nun kniet sie inmitten der närrischen Schar. Vorsichtig und mit viel Geduld macht sie sich daran, einem Villinger Narro für die Ausstellung den letzten Schliff zu verpassen. Beinahe sanft hantiert die Künstlerin mit Stoff und Schere. Schließlich steht der Narro dieses Jahr nicht mit beiden Beinen auf der Erde: Er geht auf Stelzen.
Warum das so ist, erklärt Museumsleiter Michael Hütt: „Dieses Jahr haben wir die Ausstellung ein bisschen anders aufgezogen. Die Figuren spielen Theater.“ Nachgestellt werde „Ein Auszug Heutiger Weltnarren“, der am 13. Februar 1749 von den Schülern des Villinger Benediktiner-Gymnasiums aufgeführt worden sei. „Die Kirche wollte der damals bereits existierenden Straßenfastnacht mehr christliche Moral entgegensetzen“, sagt Michael Hütt.
In elf Aufzügen erhebt das Schülerspiel den mahnenden Zeigefinger und prangert menschliche Schwächen und Sünden an.
Diese elf Aufzüge würden mit den Jaag-Figuren dieses Jahr sozusagen in die Gegenwart übersetzt, sagt Michael Hütt: „Es spricht viel dafür, dass der Hoffartsnarr, der damals aufgetreten ist und zur Verdeutlichung seines Hochmutes auf Stelzen geht, große Ähnlichkeit mit einem heutigen Narro hatte.“ Außerdem sei es wahrscheinlich, dass die Fress- und Saufnarren aus dem Jahr 1749 mit den Wueschten in Bezug gesetzt werden könnten, erklärt der Museumsleiter. Verlacht werden in der Ausstellung außerdem der Weibernarr, der zum Lohn eine Kappe mit Eselsohren bekommt oder die Figuren, die sich hinter einem blinden Anführer zum Tanz aufstellen. Michael Hütt erklärt: „Es wird deutlich, wie eng die Bezüge zwischen der Fastnacht und der Tradition des Schultheaters waren. Außerdem hat die Kirche das kulturelle Leben damals sehr geprägt und zwar nicht nur durch Predigten und Gottesdienste.“ Um diese Wechselwirkung darzustellen, eigneten sich die Figuren von Ingeborg Jaag sehr gut, sagt der Museumsleiter.
Im Programmheft, das in originaler Schrift mit Übersetzung im Ausstellungsraum ausliegen soll, werden die einzelnen Aufzüge erklärt. Die Schwere der Sünden steigert sich dabei von Mal zu Mal. Die ganz große Moralkeule trifft den Besucher zum Schluss. Im zehnten und elften Aufzug heißt es: „Der faule Narr im Mist da schlaft, Armut und Henker ihn bestraft. Jedannoch bleibet in der Tat, und ist allezeit ganz wahr: Der eine Todsünde begangen hat, der ist der größte Narr.“